Franz Tosch im Gespräch mit dem Bildhauer
Hans, du hast vor 10 Jahren den Auftrag bekommen, den Eingangsbereich der Kreismusik schule neben der St. Georgskirche in Mitterfels künstlerisch zu gestalten. Was geht in einem Künst ler vor, wenn er beauftragt ist, Kunst am Bau zu schaf fen. Überfällt dich eine Idee spontan oder reift die Idee dazu langsam?
Ein längerer Prozess ist es allemal, aber Unterschiede gibt es schon. Manchmal bin ich gleich stark fasziniert, weil’s mich selber persönlich anrührt, oder weil der Auftrag mit meinen künstlerischen Ideen, künstlerischen Träumen oder künstlerischen Ausdrucksweisen zusam menfällt. Dann geht’s natürlich schneller oder es ist sogar so ein Funken da, gleich inner lich, dass ich einen höheren Blutdruck habe und an dem selben Tag entweder noch erste Notizen mache, ganz vage, oder an den Ort nochmals hinfahre und dort Skizzen irgend welcher Art fertige. Der Laie würde wahrscheinlich gar nicht merken, dass das fertige Werk oft recht nahe an diesen ersten Zeichnungen „dran” ist.
Konkret zur Kreismusikschule: Hast du Vorgaben gehabt?
Ich habe hier eigentlich künsterlische Freiheit gehabt.
Ist dir das am liebsten?
Natürlich ist mir das am liebsten. Grundsätzlich habe ich diesbezüglich sehr viel Glück gehabt in meinem künstlerischen Schaffen. Ich lebe nur von der Kunst, war und bin also darauf angewiesen, mich über Aufträge zu verwirklichen - und konnte das auch meistens. Es gibt grundsätzlich ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder man hat die ganze Freiheit oder aber man macht sein Werk zur freien Kunst, d.h. es sind zwar Vorgaben da, aber ich bringe mich so stark ein, dass ich letztendlich sagen kann, wenn ich es für mich frei gestalten könnte, würde ich es auch nicht anders machen. Natürlich ist das auch eine Existenzfrage.
Ein Kunstwerk an einer Kreismusikschule.Da war das Thema von vornherein klar. Standder Platz für das Kunst werk fest?
Der Platz war vorgegeben, die Architektur, dasGebäude stand bereits. Für mich - auch als Mitterfelser - war es eine besondere Herausforderung, eine Plastik für die Mitterfelser Kreismusikschule zu schaffen, auch eine reizvolle Auseinandersetzung. Es galt ein sichtbares, sinnbezogenes Zeichen zu setzen als Ausdruck der Tätigkeit dieser Schule und als einefeierliche Ergänzung zur Architektur und zum Vorplatz.
Also hat dein Werk auch eine Funktion, es ist eine Art künstlerisches Türschild - oder ist das zu primitiv ausgedrückt.
Nein, nein, man könnte so sagen. Ich bin mittlerweile auf Grund meiner langen Tätigkeit und der Beobachtung der Kunstszene der Meinung, dass die Kunst am Ort oder am Bau, also die zweckbedingte Kunst, von einer extremen Kunstseite manchmal von oben herab abgetan wird, als sei das nicht die wahre Kunst. Aber alle atmen sie tief durch, wenn sie meinetwegenin Paris auf Notre Dame zugehen und dieses Eingangsportal sehen. Das wird als hohe Kunst anerkannt. Oder nehmen wir die Portaleder romanischen Kirchen, da bleibt man fast „stecken” vor Ehrfurcht vor diesen wunderbarenFiguren. Und heute sollte das plötzlich irgendwie nicht mehr den Stellenwert derhohen Kunst haben. Die künstlerische Freiheit schlägt heutzutage fast schon über, so dass manch purer Unsinn als grösste Kunst bezeichnet wird. Das sage ich ganz offen. Abermittlerweile weiß ich mich in einem sehr guten Kontext mit nicht den geringsten Künstlern.Michelangelo hat das meiste, auch die Pieta, auf Auftrag gemacht, Tizian hat seine sämtlichen Gemälde auf Auftrag gemacht, ebenso ein Henry Moore. Sogar ein Picasso hatte einen Auftrag für dieses wunderbare Gemälde „Guernica”.
Du hast zur Musik ein tiefes Verhältnis. Daspielt bei der Gestaltung eines solchen Werkes der ganze musikalisch-familiäre Hintergrundeine große Rolle.
Mein Verhältnis zur Musik hat eine sehr große Rolle gespielt. In den 70-er Jahren habe ich als freie Plastik eine 30-40 cm große Stele gemacht, die ich „Musik” nannte. Sie steht heute noch in meinem Atelier als Galvano-Plastik. Aber einen so schönen Auftrag zum Thema Musik habe ich noch nicht gehabt. Insofern hat’s mich schon gepackt, dass ich das machen durfte. Zu deiner Frage zur musikalisch-familiären Vergangenheit: Ich bin ein Kriegskind, 1934 geboren. Ich sage das deswegen, weil meine Kindheit und die frühen Jugendjahre eine sehr arme, karge Zeit waren, aber was man trotzdem sehr viel gemacht hat: Man hat musiziert, man hat gesungen. Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der das in besonderem Maße getan wurde. Mein Vater war über Jahrzehnte Kapellmeister, war sein Leben lang beim Kirchenchor. Meine Brüder und ich waren alle in der Musikkapelle und später in verschiedenen Männerchören und Kirchenorchestern tätig. Und was konnte man speziell in den Nachkriegszeiten besseres tun, als meist nur ein Zimmer beheizt wurde, in dem sich praktisch alle Leute aufhalten mussten? Man hat gesungen und musiziert. In den 50-er Jahren haben mehr gemacht, eine kleine Kapelle gegründet, weil alle Kinder - wir waren 9 Kinder, davon 7 Buben - ein, zwei oder drei verschiedene Instrumente gespielt haben, Blas- und Saiteninstrumente, wobei ich Klarinette spielte. Der Sepp, unsere musikalische Vorgabe, hat das Konservatorium in Innsbruck besucht und eine Art Männer chor zusammengestellt.....
....den die Mitterfelser ja schon erlebt haben....
Richtig, bei der Einweihung des neuen Brunnens vor der Friedenseiche ..... Der Sepp hat uns Chöre eingelernt, nur für uns selber, zur eigenen Freude - die Eltern haben natürlich auch große Freude gehabt - aus dem gesamten deutschen Liedgut, von Walther von der Vogel - weide bis zu Messen z.B. von Schubert oder Chorsätzen wie “Die Himmel rühmen” von Beethoven; aber auch alpenländische Chor sätze wurden gesungen. Das war allerdings erst nach 1947 möglich, weil da unsere Kriegsheimkehrer aus Frankreich und der älteste aus Russland zurückgekehrt sind. Dann haben wir in einem Doppelquartett - der Vater und sieben Brüder - bei Feierlichkeiten, bei goldenen Hochzeiten, bei Freunden oder zu Weihnachten einfach nur so gesungen, später haben wir schon auch bei richtigen Abendveranstaltungen mitgewirkt.
War dir bei diesem Auftrag von vornherein klar, dass du eine Stele machen wirst, oder hast Du dir auch überlegt, eine Skulptur in Bronze oder einem anderen Material zu gestalten?
Diese Überlegungen hat man zunächst einmal alle. Es hat sich hier aber etwas ausgeschlossen. Auf dem Platz nebenan unter der Friedenseiche habe ich doch den Brunnen aus Granit gestaltet. Also würde ich gleich daneben keinen zweiten Stein aufstellen. Ich denke schon, dass ich fähig wäre, in einer Bronzeskulptur Musik auszudrücken. Man hat allerdings einen finanziellen Rahmen: es ist ja nicht so, dass einem ge sagt wird, jetzt machen sie da was Schönes, egal wie viel es kostet. Gerade für Mitterfels möchte man einfach das Opti male gestalten. Bei einer Bronzeskulptur „geht halt immer gleich die Hälfte des Preises fremd”: für das Material, für die Gießerei. Die Architektur verlangt aber eine bestimmte Größe. Das sind die se Dinge, die man im Vorfeld auch durchmacht. Also musste ich mir ein anderes Mate rial überlegen, mit dem man die der Architektur entsprechende Größe erreicht, und mit dem man seine Vorstellungen ausdrücken kann. Dann sollte auch ein Gegensatz zum Brunnen auf dem Platz bei der Friedenseiche entstehen, eine ungewöhnliche Darstellung, die dieser neu gegründeten Musikschule entspricht. So ist mir eben die Idee mit der Stele gekommen. Da konnte ich die Wand ausfüllen, konnte auf eine passende Größe gehen.
Ich hab die Stele vor unserem Gespräch noch einmal genau angeschaut. Mir ist dabei folgender Gedanke gekommen: Du hast in den 80-er Jahren oft in Griechenland gezeichnet, auch im Vorwald, in Mitterfels. Alle, die deine Zeichnungen gesehen haben, bewundern die Reduzierung auf das Wesentliche: karg gehaltene Striche, die aber das Charakteristische einer Landschaft, einer Architektur herausheben. Als ich vor der Stele stand und die klaren Schnitte sah, musste ich unwirklich an deine Zeichnungen denken. Kann man sagen, dass diese Art der Gestaltung ein Bindeglied zwischen Zeichnung und Vollplastik darstellt?
Kann man. Das ist nicht schlecht beobachtet, weil ja das, was als Ausdruck herausgeformt ist, das Ensemble von Instrumenten, eine Zeichensprache hat. Weil das ganze aber in diese stark gebogene Edelstahlplatte eingebettet ist, ist es dann doch eine Plastik. Mich interessieren die technischen Bedin - gun gen, die das Material vorgibt. Es sind un - heim lich eng verlaufende Linien da, Saiten etwa oder Klaviertasten; die Nahtstellen sind oft nur 1/2 cm stark. Du hast dich sicher sehr